(Prime Quants) – Es gibt Menschen, die vergleichen die Börse auch durchaus schon einmal mit einer Frau. Das wird die Gender-ForscherInnen und Post-FeministInnen jetzt natürlich freuen, und ich höre sie in meinem geistigen Ohr auch schon voller Protest und Inbrunst aufheulen, aber ganz ehrlich: das ist mir wurscht! Ich gedenke an dieser Stelle nämlich weder sexistisch, noch sonst irgendwie frauenfeindlich zu formulieren, ich stelle lediglich fest, dass es nach Meinung mancher gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Börse und lebenden Personen weiblichen Geschlechts gibt, die natürlich alle zufällig und zudem keinesfalls beabsichtigt sind und ganz konkret folgendermaßen beschrieben werden können: launisch, sprunghaft, unberechenbar und manchmal verdammt schwer zu handeln, Sie wissen schon, mit einem Ä ausgesprochen. Ja, vor meinem geistigen Auge sehe ich jetzt den ein oder anderen (männlichen) Leser zustimmend nicken, aber bevor gleich der Shitstorm endgültig über mich hinwegfegt, lasst mich schnell und außerdem zu meiner Verteidigung noch eines sagen: WIR LIEBEN EUCH, SO WIE IHR SEID, IHR FRAUEN! BITTE GENAU SO BLEIBEN! So, und weil jetzt alles hoffentlich wieder gut ist, schauen wir uns ganz in Ruhe und vollkommen geschlechterneutral an, wie recht ich doch mit meiner Behauptung habe…also natürlich mit der, dass die Börse launisch, sprunghaft, unberechenbar und so…nicht dass wir uns hier missverstehen! Aber sehen Sie doch selbst:
Muskelspiel
Das war ja wohl eine echte actio praecox am vergangenen Freitagnachmittag! Da hieß es plötzlich, irgendjemand (die Russen?) sei irgendwo (auf ukrainisches Staatsgebiet?) eingedrungen und dabei von irgendwem (den Ukrainern? Dem A-Team? Raumschiff Enterprise?) unter Beschuss genommen worden. Kleiner Druckfehler, kann ja mal passieren, vor allem am Freitagnachmittag, denn statt einem Beschuss handelte es sich bei der Meldung eher um einen Beschiss, war nämlich gar nichts dran! Bis sich das herausstellte, verging allerdings eine knappe Stunde, und in dieser stürzte der DAX völlig ungebremst um mehr als 250 Punkte nach unten. Gut 2,7 Prozent! Einfach so. Ganz schön sprunghaft, und außerdem auch so unberechenbar! Schon eher zu rechnen war dafür mit der anschließenden Gegenreaktion zum Wochenbeginn, die das deutsche Leitbarometer in zwei Tagen immerhin wieder zurück über die 9.300er-Marke hievte. Da standen wir vor dem Mini-Crash vom Freitag schon mal, macht also gut 500 Punkte in wenigen (Handels-)Tagen, wenn das nicht schwer zu handeln ist! Das dachte sich wohl so mancher Markteilnehmer, denn zum einen fielen die Umsätze in dieser Woche eher gering aus. Und zum anderen scheinen die, die am Freitag auf gut Glück eine Long-Position eröffneten, ihre Gewinne im Bereich um 9.350 Zähler schon wieder nachhause zu bringen, denn nach dem Muskelspiel und damit verbundenen heftigen Kursausschlägen der vergangenen Sitzungen scheinen sich Bullen und Bären jetzt auf dem Niveau zwischen 9.300 und 9.400 Punkten zu neutralisieren. Diese Unentschlossenheit (wer jetzt an launisch denkt…) hat natürlich, wie alles auf dem Parkett, einen Grund. Also zumindest einen, der diesmal eben als solcher herhalten muss:
Wortspiel
Die Fed ist schuld. Natürlich. Wieder mal. Denn da weiß man ja immer noch nicht genau, wann denn diese ominöse Zinserhöhung nun eigentlich kommen soll. Und weil die Fed nix Genaues sagt, wird das, was sie sagt, auf die Goldwaage gelegt, und siehe da: Noch im Juni-Protokoll waren es nur „einige Mitglieder“, die eine frühere Leitzinserhöhung als bislang erwartet für möglich hielten. Jetzt, im Juli-Protokoll, sind es bereits „viele“! Das ändert natürlich einiges, wenn nicht gar vieles, allerdings nichts daran, dass die Notenbank mit einer Anhebung des Leitzinses sehr wohl warten wird, bis sich die US-amerikanische Wirtschaft, und da vor allem der Arbeitsmarkt, entsprechend stabilisiert bzw. normalisiert hat. Ist lange bekannt, weshalb die Anleger nun auf wirklich neue Neuigkeiten hoffen, vielleicht schon an diesem Freitag, wenn die Vertreter der wichtigsten Notenbanken dieser Welt zu ihrem alljährlichen Treffen in Jackson Hole zusammenkommen. Immerhin tritt dann sogar die Chefin selbst, Janet Yellen, vor die Kameras (und die Goldwaagen), und wer weiß, womöglich lässt sich zwischen den Zeilen (oder gar den Buchstaben) des Gesagten ein Hinweis entdecken, der wiederum auf den Kursverlauf der nächsten Wochen hinweisen könnte, denn:
Planspiel
Auf der Anzeigetafel ist derzeit scheinbar alles möglich. Eher wieder seitwärts, weiter hoch wie zuletzt oder doch noch einmal ein Stück abwärts? Für jedes der drei Szenarien finden sich derzeit Argumente. Vor allem aber interessante Chartmarken, die man in den kommenden Sitzungen im Auge behalten sollte. Nach oben ist das im DAX beispielsweise der langfristige GD200, der aktuell bei etwa 9.500 Zählern verläuft. Etwas darunter liegt im Moment die Abwärtstrendgerade, die vom Juni-Allzeithoch ausgehend eingezeichnet werden kann. Über beide Begrenzungen muss der Index in jedem Fall drüber, wenn eine Rückkehr in den Rallye-Modus stattfinden soll. Anschließend wartet die 9.600er-Marke, und dass die ein äußerst hartnäckiger Widerstand sein kann, das haben wir im Frühjahr gelernt. Nach unten hingegen leuchtet natürlich die 9.000er-Barriere signalrot auf, und unter der…wäre charttechnisch betrachtet sogar noch ein Absturz bis zur Unterstützungszone bei 8.400 denkbar. Allerdings nicht sonderlich wahrscheinlich, wie der Blick auf die amerikanischen Indizes zeigt: Der hat die 17.000er-Hürde bereits wieder überwunden und nimmt damit Kurs auf die Juli-Rekordstände. Einfacher zu handeln (mit Ä!) werden die Märkte dadurch zwar (noch) nicht notwendigerweise, aber – wenn sie sich nun aber zumindest schon einmal wieder für eine klare Richtung entscheiden, wäre das…ein guter Plan!
Erfolgreiche Trades wünscht
Ihr
Sebastian Jonkisch
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler