(Prime Quants) – Mit massiven Abschlägen haben die deutschen Aktienmärkte am Donnerstag auf die Aussagen der US-Notenbank und enttäuschende chinesische Wirtschaftsdaten reagiert. Vor allem aber drückten die Sorgen über eine mögliche Drosselung der ultralockeren US-Geldpolitik den DAX erneut unter die magische Marke von 8.000 Punkten. Nach QE1, QE2, Operation Twist und QE3 neigt sich die fast fünf Jahre andauernde Operation am offenen Herzen der US-amerikanischen Konjunktur anscheinend ihrem Ende entgegen. Der Patient „USA“ scheint stabil und auf dem Weg der Genesung. Zwar hat die Fed ihre Projektion für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 2,3 bis 2,6 Prozent (zuvor 2,3 bis 2,8 Prozent) gesenkt, doch die Währungshüter halten es für möglich, dass die angestrebte Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent bereits im Jahr 2014 erreicht werden könnte. In seiner monatlichen Sprechstunde betonte Fed-Chef Ben Bernanke allerdings, dass das Erreichen dieser Zielquote nicht mit automatischen Zinserhöhungen einhergehen würde. Das Medikament „Niedrigzinsen“ dürfte also auch über diesen Stichtag hinaus zur Stabilisierung noch verabreicht werden.

Anders sieht es jedoch beim Allheilmittel Anleihekäufe aus. Mit dieser Pille werden seit Dezember monatlich Hypotheken besicherte Wertpapiere (MBS) und US-amerikanische Staatsanleihen im Volumen von 40 Milliarden USD bzw. 45 Milliarden USD vom Markt genommen. Seit November 2008 haben sich in der Fed-Bilanz mittlerweile solche Papiere in Höhe von 3,1 Billionen USD angehäuft (kleines Rechenspiel: Mit dieser Summe hätte man nach aktuellem Stand der Marktkapitalisierung alle 30 DAX Unternehmen 3 ½ Mal kaufen können). Die enorme Liquidität sorgte auf dem internationalen Kapitalmarkt für niedrige Anleiherenditen und machte so die Aktie als Anlageobjekt attraktiv. Doch diese fast paradiesischen Zustände könnten bald der Vergangenheit angehören, denn rund um den Globus ziehen die Renditen auf Staatspapiere wieder spürbar an. Hält diese Entwicklung an, stellen Anleihen für Investoren bald wieder eine ernstzunehmende Alternative zur Aktie dar. Die Aktienanlage würde dadurch an Glanz verlieren. Die Renditen auf US-amerikanische Zehnjahrespapiere kletterten nach der Ankündigung, die Anleihekäufe zum Jahresende hin zu drosseln und im kommenden Jahr eventuell sogar komplett einzustellen, auf den höchsten Stand seit Ende 2011 – auch wenn in dieser Sache überhaupt noch keine klaren Entscheidungen getroffen wurden.

Allerdings gilt Fed-Chef Bernanke nicht als Facharzt für den Aktienmarkt. Vielmehr hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die Konjunktur zu retten, sodass diese irgendwann wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Ob sie dann allerdings auch in der Lage ist, das „hohe“ Niveau am Aktienmarkt zu tragen, darf durchaus bezweifelt werden. Wer schon einmal eine schwierige Operation durchgestanden hat, der weiß, dass die Euphorie, das Schlimmste überstanden zu haben, in der Reha-Phase oft schnell wieder verpufft. Ähnliches gilt auch für den Aktienmarkt. Mit fortschreitender Zeit werden sich die Anleger aber an die Gemengelage gewöhnen und – sofern die Renditen am Anleihemarkt nicht aus dem Ruder laufen – auch wieder neuen Mut fassen. Von heute auf morgen wird dieses Kunststück allerdings nicht gelingen. Zumal:

Während die US-Konjunktur gerade vom Operationstisch genommen wird und man an Europa noch herumgedoktert, fährt draußen schon der Krankenwagen vor und liefert als nächsten Patienten die chinesische Wirtschaft mit bedrohlichen Symptomen ein. Denn der zuletzt wichtigste Wirtschaftsmotor der Welt kommt zunehmend ins Stottern. „Die neue Führung des Landes hat einen ganz anderen Fokus als die alte“ wurde Goldman-Sachs-Experte Yu Song in dieser Woche von der Nachrichtenagentur dpa zitiert. Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass den Banken zur Vermeidung einer Kreditblase der Geldhahn stärker als gedacht zugedreht werden soll. Für Beunruhigung sorgte in dieser Woche aber vor allem der Einkaufsmanagerindex von HSBC, der mit 48,3 Zählern wesentlich stärker als erwartet abgerutscht war. Werte unterhalb von 50 Punkten deuten auf ein rückläufiges Wachstum hin. Gleichzeitig machten Gerüchte über die Zahlungsunfähigkeit der Bank of China die Runde. Die Bank dementierte dies jedoch postwendet.

Optimismus und Skepsis geben sich am Markt nun fast täglich die Klinke in die Hand. Dieser Trend dürfte anhalten, denn mit großen Schritten nach vorne ist an der Konjunkturfront ohne die aufpushenden Anleihekäufe nicht zu rechnen. Allerdings werden jetzt die großen Auftriebskräfte abgesetzt. Bullen und Bären dürften sich auf große Sicht daher zunächst neutralisieren. Vollkommen auszuschließen ist es aber nicht, dass wir schon bald wieder hören: Dr. Bernanke, bitte in den OP!

{loadposition mainbody_author_sj}
{loadposition inbeitrag_mm_bestellseite}