Letzte Woche war das Thema (die Geldpolitik der EZB) schon Tage zuvor gesetzt und ein Bezug zu den aktuellen Unwetterereignissen kaum gegeben, weshalb wir auf einen Verweis verzichteten. Das hat sich jetzt geändert. Nachdem die Wassermassen abgeflossen sind und das ganze Ausmaß der katastrophalen Sturzfluten sichtbar wurde, steht fest, dass in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen, in der Sächsischen Schweiz und gleich bei den Kollegen um die Ecke, im Berchtesgadener Land, unzählige Menschen ihr Hab und Gut, ihre Existenzen oder sogar ihr Leben verloren haben. Die Todeszahlen sind längst dreistellig, und noch immer werden Angehörige, Freunde, Kollegen oder Nachbarn vermisst. Angesichts der verheerenden Zerstörung im Ahrtal und anderswo erscheinen die Geschehnisse an den Aktienmärkten daher nachgerade nichtig. Dabei hat sich in den vergangenen Tagen ein neuer Begriff auf dem Parkett eingeschlichen, den wir heute schon einmal genauer unter die Lupe nehmen müssen:

Das S-Wort

Die Rede ist von der Stagflation; noch so ein „böses“ Wort aus dem Vokabular der Volkswirtschaft, das sich aus den Wörtern „Stagnation“ und „Inflation“ zusammensetzt. Und damit eigentlich auch schon selbst die Definition liefert. Denn in einer Phase der Stagflation stagnieren Wirtschaft (und Löhne!) oder schrumpfen sogar, während die Inflation nach oben schießt und die Teuerungsraten durch die Decke gehen. Gut, dass die Preise seit einiger Zeit spürbar anziehen, dürfte unbestritten sein. Aber dass die Wirtschaft nicht mehr wächst? Hä? Wo doch die Konjunkturprognosen für 2021 irgendwo bei +3,5% liegen, was das deutsche BIP-Wachstum angeht. Mit deutlicher Tendenz nach oben, mit Blick auf das kommende Jahr. Für die USA revidierte der Internationale Währungsfonds (IWF) Anfang des Monats gar die im Frühjahr ausgegebene 2021er-Prognose von +4,6% und erwartet nun ein Wirtschaftswachstum von +7%, den höchsten Wert in einer Generation. Wie passt das zu einer möglichen Stagflation?

Mangelware

Dafür braucht es den Glauben an ein Nachlassen der derzeit brummenden Konjunktur – wie es beispielsweise Neil Wilson, seines Zeichens Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com, jüngst formulierte (nachzulesen u. a. hier im Handelsblatt). Das Argument der (erneut) steigenden Corona-Fallzahlen lässt sich dabei nicht von der Hand weisen, wobei die Märkte dieses Risiko – noch – ausblenden. Auf den bislang schwächsten Handelstag des Jahres am Montag (DAX: -2,7%) folgte zumindest eine schwungvolle Erholung, die die vorangegangenen Verluste direkt wieder wett machte. Damit steht der deutsche Leitindex aus charttechnischer Sicht genau da, wo wir ihn schon in der Vorwoche…und der Woche davor…und der davor…und so weiter…verorten konnten – mittendrin in der Schiebezone zwischen, ganz grob, 15.000 auf der Unter- und 15.800 auf der Oberseite. Neue Impulse? Erst einmal Mangelware! Der Ausbruch auf ein neues Rekordhoch und/oder die 16.000er-Marke? Verschoben, mindestens auf nächste Woche. Das Potenzial ist nach dem wochenlangen Quergeschiebe zwar vorhanden, aber – das kann, wie in Seitwärtsphasen nun einmal so üblich, genauso gut nach hinten beziehungsweise unten losgehen!

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