(Prime Quants) – Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn es die heutige Überschrift vielleicht vermuten lässt, dies wird kein öffentlicher Aufruf zur Unzucht! Außerdem fand der Internationale Tag des Kusses bereits im Juli diesen Jahres statt, ich will also auf etwas ganz anderes hinaus, wie Sie gleich sehen werden. Die Abkürzung (streng genommen ist es ein sogenanntes Apronym, eine Sonderform der Abkürzung, bei der die Anfangsbuchstaben selbst einen bereits bestehenden Begriff mit eigentlich völlig anderer Bedeutung bilden, aber das nur nebenbei) KISS steht nämlich (unter anderem) für „keep ist simple and short“ (wahlweise auch smart oder stupid), was besagt, Dinge so einfach (und effektiv) wie möglich zu machen. Das hat sich offenbar auch John Cryan gedacht, seit Anfang Juli Nachfolger des, nun, sagen wir mal höflich, hinfort gelobten ehemaligen Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain. Dieser John Cryan macht jetzt also seiner britischen Abstammung alle Ehre und einen auf Understatement, zumindest was sein Arbeitsfeld anbelangt. Kurz und schmerzlos verkündete die eine Hälfte der DB-Doppelspitze am Sonntag während einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung nämlich (einmal mehr) den radikalen Umbau von Deutschlands größtem Geldinstitut, und zwar sowohl in personeller, als auch in strategischer Hinsicht. Um „die Komplexität im Management der Bank zu verringern und damit den Kundenbedürfnissen sowie den Anforderungen der Aufsichtsbehörden besser gerecht zu werden“ (O-Ton Deutsche Bank) macht Cryan nun Nägel mit Köpfen (wobei einige davon rollen) und zieht einen (endgültigen?) Schlussstrich unter die Ären Jain, Ackermann und Breuer. Das bedeutet:

Abgesang

Die Zeiten der „Master of the Universe“ sind auch im A-Türmchen an der Frankfurter Taunusanlage vorbei. Der Machtbereich der Investmentbanker – einst die Superstars des Geldhauses – wird offenbar drastisch eingeschränkt, und das nicht nur, weil eine überambitionierte Nachwuchskraft in der Londoner Filiale versehentlich mal eben sechs Milliarden Euro fehlüberwiesen hat, wie Anfang der Woche bekannt wurde. Nein, Cryan zieht jetzt (hoffentlich) den Wertewandel durch, den seine Vorgänger so oft und so vollmundig verkündet hatten. Der Abgesang auf frühere Helden und Werte der Deutschen Bank kommt dabei spät, vielleicht aber nicht zu spät: Für die Anleger beim deutschen Branchenprimus könnte nun eine jahrelange Durststrecke zu Ende gehen. Denen ist seit dem Allzeithoch der Aktie (103,14 Euro im Mai 2007) nämlich die Freude am Investment zunehmend vergangen, wie der Blick auf die 2015er-Performance der Deutschen Bank zeigt. Das Jahreshoch 2015 bei 33,42 Euro vom 14. April liegt nämlich satte 68 Prozent unter dem 2007er-Höchststand, das Jahrestief bei 22,95 Euro vom 29. September sogar rund 78 Prozent darunter. Wer diesen Verlust in seinen Büchern stehen hat, dem kommt ein Neuanfang der Frankfurter gerade recht. Und die Kurse könnten etwas Starthilfe dringend gebrauchen – über 20 Prozent Aufholpotenzial bis zum Jahreshoch, das schreit geradezu nach einer Jahresendrallye! Auf die warten allerdings auch noch andere:

Taktgeber

Der DAX zum Beispiel. Der deutsche Leitindex konnte seit dem bisherigen Jahrestief bei 9.325 Zählern Ende September zwar bereits 12,5 Prozent aufsatteln, die Wochenperformance ließ allerdings – trotz des Kurssprungs vom gestrigen Donnerstag – zunächst durchaus noch Anlegerwünsche offen. Gerade einmal 1,3 Prozent betrug das Plus bis zum Donnerstagnachmittag, bevor die Ankündigung des EZB-Chefs Draghi, derzeit mit seinem Ensemble im malerischen maltesischen Valetta verschiedene Instrumente für eine mögliche Ausweitung der bisherigen geldpolitischen Lockerungen zu prüfen, Anlass zu einem deutlichen Hüpfer in Richtung 10.500 Punkte gab. Damit wurde der Italiener zwar endlich seiner schon vor Wochen zugedachten Rolle als Taktgeber gerecht, allerdings muss sich erst noch zeigen, ob dies ausreicht, um die Märkte nicht nur für einen Nachmittag, sondern dauerhaft nach oben zu tragen. Immerhin, auch am heutigen Freitag geht es weiter deutlich aufwärts, wobei sich erst in den kommenden Sitzungen entscheidet, ob hier und jetzt der Grundstein für einen Rallyeschub bis über die 11.000er-Marke gelegt wurde. Wir hätten nichts dagegen, bleiben aber skeptisch – gerade weil es so einfach aussieht, könnte es noch einmal schwierig werden!

Erfolgreiche Trades wünscht

Ihr
Sebastian Jonkisch

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