(Prime Quants) – Wie gemeinhin bekannt sein dürfte, handelt es sich bei der griechischen Tragödie um eine besondere Kunstform des frühen antiken Theaters. Die „Premiere“ fand bereits 534 vor Christus statt, und so richtig Hochkonjunktur hatten die Stücke von Aeschylos, Sophokles und Co im 4. und 5. Jahrhundert vor Christus, nachdem sich bis dahin die endgültige literarische Form ausgebildet hatte. Und die folgte einem strengen Konzept – die Handlung war stets vorgegeben, Struktur und Aufbau klar definiert. Und auch bei der Themenauswahl gab es kaum Alternativen; immer drehte sich das Stück um – und an dieser Stelle möchte ich tatsächlich Wikipedia zitieren, denn ich selbst hätte es nicht trefflicher formulieren können – „die schicksalhafte Verstrickung des Protagonisten, der in eine so ausweglose Lage geraten ist, dass er durch jedwedes Handeln nur schuldig werden kann. Die herannahende, sich immer deutlicher abzeichnende Katastrophe lässt sich trotz großer Anstrengungen der handelnden Personen nicht mehr abwenden.“ Sinn und Zweck dieser dramatischen Szenen war, beim Zuschauer einen (selbstreinigenden) Sinneswandel zu erzeugen, auch dafür gibt es ein schönes griechisches Wort, „Katharsis“ nämlich. Nun könnte man meinen, eine Theaterform, die schon vor rund 2.400 Jahren ihre Blütezeit erlebte, findet in der heutigen Zeit sicherlich kein Publikum mehr. Doch weit, ach allzu weit gefehlt:

Wiederaufführung

Den beiden Großmeistern des modernen griechischen Theaters, Ministerpräsident Tsipras und seinem kongenialen Sidekick Yanis Varoufakis ist mit der fulminanten Neuinszenierung der antiken Tragödie ein echtes Kunststück gelungen. Die Mär vom schuldlos Schuldigen, medial und telegen bis ins Groteske verzerrt, zieht seit Wochenbeginn die Zuschauer nicht nur in Athen, sondern europaweit in ihren Bann. Denn was niemand ernsthaft in Betracht gezogen hat, ist nun Wirklichkeit geworden: In einem historisch einmaligen Schritt verweigerte Griechenland dem IWF die fällige Ratenzahlung und hat sich selbst damit vom Zufluss aller Hilfsgelder abgeschnitten. Um das Drama noch auf die Spitze zu treiben, beriefen die Regisseure des Spektakels zudem ein fragwürdiges Referendum ein, bei dem die griechische Bevölkerung – gleichsam Zuschauer und Statist – über die Zukunft ihres Landes nun letztendlich selbst entscheiden soll. Man mag über all das denken, wie man will, nur so viel sei von meiner Seite gesagt: Das Volk, das den Begriff Demokratie erfunden und zuerst gelebt hat, sollte allmählich von seiner ihm ureigenen Macht Gebrauch und dem Treiben seiner gewählten Vertreter ein Ende machen, um noch schlimmere Schäden, nicht zuletzt beim Image, zu verhindern. Etwas Schadenbegrenzung täte dabei auch den Märkten gut:

Finale furioso

Gut, die Befürchtungen derer, die einen Kollaps im Lehman’schen Stil prophezeiten, haben sich – zumindest bislang – nicht bewahrheitet. Zwar ging der DAX am frühen Montagmorgen zunächst um rund 5 Prozent in die Knie, letztlich beliefen sich die Verluste am Ende des Tages jedoch auf überschaubare 3,6 Prozent. Damit hat der deutsche Leitindex dann auch gleich die Marke der Woche gesetzt: 11.100 Zähler, viel mehr drüber oder drunter war in den vergangenen Sitzungen nicht drin. Wen wundert’s, schließlich ist der letzte Akt in Athen auch noch nicht über die Bühne gegangen! Interessant könnte also werden, wie sich die Märkte nach dem Referendum vom Sonntag präsentieren, denn der Ausgang desselben ist derzeit völlig ungewiss. Nicht ganz so spannend sind hingegen die Kursziele, die beim DAX auf der Ober- bzw. Unterseite liegen. Bei einem positiven Ergebnis der Volksabstimmung in Griechenland sind weiterhin 12.000 Punkte möglich, beschließen die Griechen am Wochenende den endgültigen Grexit, könnte dies den Index durchaus in Richtung 10.000 Zähler drücken. Das wiederum käme beinahe einer Katharsis gleich, dem eigentlichen Ziel einer jeden griechischen Tragödie. Bleibt zu hoffen, dass es auch diesmal „Ende gut, alles gut“ heißt, wenn der letzte Vorhang fällt!

Erfolgreiche Trades wünscht

Ihr
Sebastian Jonkisch

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