(Prime Quants) – Wie in jedem Jahr, haben die Meteorologen am 01. September und damit pünktlich zum Wochenbeginn ihren Herbst eingeläutet. Das war es dann also gewesen, mit dem Sommer 2014. Und irgendwie war der ja auch nix gewesen, in diesem Jahr. Wettertechnisch sowieso, fragen Sie mal die zahlreichen Hüttenwirte und Biergartenpächter hier in dieser Region, die können Ihnen ein (Klage)Lied davon singen! Politisch und wirtschaftlich war das Klima in der üblicherweise wärmsten (und schönsten) Jahreszeit diesmal aber ebenfalls fast schon frostig. Dabei steht der Sommer doch eigentlich für Wachstum, Vermehrung und am Ende für die Ernte, nur – was da so gewachsen ist in den vergangenen Monaten, das kann keinem ernsthaft gefallen. Vor allem außenpolitisch dehnen sich die Krisenherde mehr und mehr aus. Ob in der Ukraine oder im Nahen Osten, die schlechten Nachrichten aus den Krisengebieten sind über den Sommer leider nicht weniger geworden. Aber auch in der Wirtschaft wächst, was nicht zusammen gehört:

Experiment

Die Angst vor einer Deflation, zum Beispiel, die seit Bekanntgabe der neuesten Inflationsrate (0,3 Prozent, der tiefste Stand seit Herbst 2009) oder die Arbeitslosenquoten, vor allem in den südlichen Ländern Europas, aber auch in Frankreich oder sogar Deutschland, wie eine soeben veröffentlichte OECD-Studie offenbarte: Vordergründig ist die Zahl der deutschen Erwerbslosen zwar stetig gesunken – dies gilt aber, statistisch günstig berechnet, nur für einen Teil der Betroffenen. Die Langzeitarbeitslosigkeit liegt mit 45 Prozent nämlich weiterhin deutlich über dem OECD-Schnitt (35 Prozent). Ebenfalls ansteigend ist der Strom der Flüchtlinge, die vor dem Terror in ihren Heimatländern in Europa Zuflucht suchen und die Gemeinschaft vor bislang ungelöste finanzielle und vor allem moralische Probleme stellen. Das alles ist jedoch nicht die Form von Wachstum, die den Staatenlenkern vorschwebt. Die wünschen sich nur ein einziges Wachstum, das der Wirtschaft nämlich. Wirtschaftswachstum ist zwingend vorgeschrieben, gesetzlich verankert und muss vor allem eines sein: unendlich! Denn Wirtschaftskrisen sind ausgesprochen unpopulär, kosten Wählerstimmen und bieten schlimmstenfalls sogar einen Nährboden für ausgewachsene politische Krisen, wie ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher zeigt. Der Wunsch nach immerwährendem Wirtschaftswachstum ist demnach zwar verständlich, scheitert jedoch in der Praxis, wie ein einfaches Experiment beweist: Nehmen Sie dazu bitte einen Luftballon, und blasen Sie diesen auf. Und? Sie sehen – unendliches Wachstum ist unmöglich! Die ganz hohe Kunst besteht also darin, zunächst Wachstumszwang und –drang zu unterscheiden und im zweiten Schritt letzteren nach Möglichkeit zu unterbinden und den Erstgenannten auf das gerade noch notwendige Minimum zu beschränken. Minimum deshalb, weil unser Wirtschaftssystem auf genau dieses moderate Wachstum angewiesen ist, da es ohne ein solches schlichtweg nicht funktionieren kann! Das für die Wirtschaft notwendige Maß muss also gefunden werden! Einer, dem dies gerne zur Aufgabe gemacht wird, ist Mario Draghi, und der hatte gestern seinen großen Auftritt:

EZBazooka

Und zwar einen ganz großen, denn es wurden die entsprechenden Geschütze aufgefahren – entgegen aller Erwartungen senkte die EZB den Leitzins noch einmal, auf mittlerweile nur noch 0,05 Prozent und damit ein neues Rekordtief. Damit soll vor allem die schleppende Kreditvergabe in der Eurozone angekurbelt werden. Weil das aber schon in der Vergangenheit (ist ja nicht die erste Leitzinssenkung) nur ansatzweise funktioniert hat, packt der EZB-Chef jetzt die Bazooka aus: Neben den sogenannten Asset-backed Securities (= durch Forderungen besicherte Wertpapiere) will die Notenbank ab Oktober auch Covered Bonds (= gedeckte Schuldverschreibungen, z. B. Pfandbriefe) im großen Stil ankaufen. Zudem plant die EZB tatsächlich den Ankauf von Anleihen und / oder Wertpapieren im großen Stil, ein „Quantitative Easing“ nach amerikanischen Vorbild. Die Meinungen über diese Maßnahmen gehen weit auseinander. Die Anleger feierten diese Wendung natürlich mit einem Kursfeuerwerk, das den DAX gestern zurück über die 9.700er Marke schoss. Die Gegner werfen der Europäischen Zentralbank vor, viel zu früh ihr Pulver bereits verschossen zu haben und nun in einer Liquiditätsfalle zu sitzen. Ferner würden dringend notwendige Strukturreformen in den einzelnen Ländern (Sie erinnern sich, die hohe Kunst des Maßes!) damit weiter verschleppt. Wir glauben: Auf kurze Sicht dürften die (europäischen) Aktienmärkte von der bereitgestellten Liquidität wieder einmal profitieren. Das passt zum gerade beginnenden Herbst, denn statistisch betrachtet folgen jetzt die „starken“ Monate an den Börsen, Jahresendrallye inklusive. Dennoch – für Entwarnung ist es vermutlich noch zu früh. Mögliche Gewinnmitnahmen im Bereich um 9.800 Zähler könnten den DAX durchaus noch einmal in Richtung 9.400/9.500 Punkte drücken!

Erfolgreiche Trades wünscht

Ihr
Sebastian Jonkisch

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