(Prime Quants) – Glaubt man den älteren Semestern, war ja früher alles besser irgendwie. Das möchte ich natürlich nicht grundsätzlich bestreiten, aber manchmal hat die schöne neue Welt auch durchaus Vorteile. Zumindest dann, wenn es um Technik geht. Genauer und in diesem Fall die moderne namens Internet. Denn während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in einem hochmodernen Reisezug der Deutschen Bahn in Richtung Berlin, deutsche Haupt- und meine Heimatstadt. Damit Sie den Prime Quants Market Mover dennoch wie gewohnt und pünktlich zum Wochenende auf den Bildschirm kriegen, nutze ich auf dieser Fahrt durch die östlichen Provinzen der Republik die eingangs erwähnten Möglichkeiten der modernen Technik. Und Technik ist heute in mehrfacher Hinsicht das Motto dieser Ausgabe. Das liegt zum einen daran, dass die gerade abgelaufene Handelswoche derart schwach an Ereignissen und Zahlen war, dass wir die Marktlage mangels Masse heute vorwiegend aus charttechnischer Sicht betrachten werden. Und zum anderen ist es einer der modernen Tech-Werte, der immerhin für etwas Aufregung und Wirbel auf dem Parkett sorgen konnte, weshalb wir ihm sofort den Titel „Market Mover der Woche“ verleihen und ihn bei dieser Gelegenheit natürlich auch etwas genauer unter die Lupe nehmen. Aber zunächst schön der Reihe nach und damit zurück zu Punkt 1 auf unserer heutigen Themenliste, dem Marktgeschehen:

Erschüttert

So, Hand aufs Herz: Wer von Ihnen weiß, was genau und im Einzelnen in der laufenden Woche auf dem Parkett los war? Richtig, die Börsen und ihre Kurse traten in diesen Tagen nahezu vollständig in den Hintergrund. Der Grund ist hinlänglich bekannt, deshalb aber nicht weniger schrecklich: Der Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 der Malaysia Airlines über der Ostukraine am vergangenen Donnerstag, bei dem alle 298 Menschen an Bord starben, beherrscht seit einer guten Woche alle Schlagzeilen. Zu Recht. Die Tragik und Sinnlosigkeit dieser – im Übrigen ebenfalls durch eine moderne, hier allerdings fragwürdige und zudem todbringende Technik verursachten – Katastrophe erschüttert die Öffentlichkeit zu sehr, als dass so einfach zur Tagesordnung übergegangen werden könnte. Diese Erschütterung war folgerichtig auch auf dem Parkett zu spüren, und das nicht nur, weil der IWF die Wachstumsprognose der Weltwirtschaft gerade als Folge der jüngsten geopolitischen Verwerfungen nach unten korrigierte und der ifo-Index im Anschluss prompt den dritten Rückgang in Folge vermeldete. Für die Kurse ging es nämlich, vor allem zu Wochenbeginn, ebenfalls abwärts, auch wenn zur Wochenmitte hin ein kleiner Rebound für etwas Beruhigung sorgen konnte. Konkret:

Durchwachsen

Im Dax fielen die Notierungen kurzfristig unter die Januar-Abwärtstrendgerade und rutschten bis an die 9.600er-Marke heran. Diese Barriere hatten wir bereits mehrfach als signifikante Unterstützung eingestuft, und als solche hat sie sich in dieser Woche auch bewährt. Nach oben deckelt dafür derzeit die 9.800-Punkte-Linie die Kurse. Im Chart hat sich so eine 200 Punkte breite Seitwärtsrange ausgebildet, die seit den Höchstständen Anfang Juli den Verlauf des deutschen Börsenbarometers bestimmt. Und wie immer in solchen Seitwärtsphasen baut sich beträchtliches Bewegungspotenzial auf. Wer nun aber sofort an einen neuerlichen Ausbruch nach oben mit Ziel 10.000 plus X denkt, der sollte dabei beachten, dass aktuell mehrere Faktoren eine direkte Fortsetzung der Rallye erschweren könnten: Aus technischer Sicht wird es allmählich eng mit dem Aufwärtstrend. Der Abstand zur 200-Tage-Linie beträgt nur noch 3,39 Prozent, vor vier Wochen waren es immerhin 4,75 und vor sechs Wochen solide 7,85 Prozent. Der Aufwärtstrend hat also in relativ kurzer Zeit mehr erheblich an Stärke verloren. Und fundamental betrachtet ist da immer noch diese Diskrepanz zwischen den Börsenkursen und der Realwirtschaft. Stimmt, vor kurzem erst haben wir an dieser Stelle behauptet, dass es egal ist, was die Kurse antreibt, solange es sie antreibt. Und genau da liegt der Hase gerade im Pfeffer. Wenn es die Kurse nämlich nicht mehr antreibt, ist es plötzlich auch nicht mehr egal. Siehe BASF: Die brachten am Donnerstag „nur“ durchwachsene Zahlen, und schon knickte die Aktie ein wie eine Ähre unter dem Mähdrescher. Wer hingegen statt auf klassische Chemie lieber auf moderne (Kommunikations-)Technik gesetzt hat, der freut sich gerade einen Ast:

Genial

Zugegeben, die Idee war genial. Als Mark Zuckerberg vor gut zehn Jahren damit begann, die an amerikanischen Universitäten üblichen Jahrbücher (= Facebook) in digitalisierter Form ins Internet zu stellen, gab es anfangs zwar noch datenschutzrechtliche Bedenken (jahaaa, man höre und staune, „datenschutzrechtliche Bedenken“ im Mutterland moderner Abhörtechnik!) doch diese vollkommen neue Form der Online-Kommunikation setzte sich zügig durch und trat einen beeindruckenden Siegeszug rund um den Globus an. Seit 18. Mai 2012 ist Facebook börsennotiert (WKN A1JWVX) und auch wenn der Start für den Techwert damals gründlich in die Hose ging (in den ersten Monaten fiel der Kurs vom Ausgabepreis von 38 US-Dollar auf einen Tiefststand bei 17,55 US$) und die Kritiker vermeintlich vollumfänglich recht behielten – mittlerweile hat sich das Datenblatt komplett gewendet. Neues Allzeithoch nach guten Zahlen gestern Abend bei 76,74 US$, das bedeutet: ein Kursplus von 100 Prozent in nur zwölf Monaten, denn erst Ende Juli 2013 konnten die Papiere das Ausgabeniveau bei 38 Dollar zurückerobern. Also alles nur eine Frage der Technik? Nein. Vielmehr ein Beispiel für eine mutmaßliche Preisblase, wie sie in der aktuellen Marktphase des billigen Geldes immer wieder entstehen kann. Schön zu beobachten, aber wichtiger für die Märkte wäre jetzt eine klare und fundierte Trendrichtung, nur – die fehlt bislang!

Erfolgreiche Trades wünscht

Ihr
Sebastian Jonkisch

{loadposition mainbody_author_sj}
{loadposition inbeitrag_mm_bestellseite}