(Prime Quants) – „Systemrelevant“ ein Wort, das sich zusammen mit „Euro-Krise“ hartnäckig an der Spitze der Kandidaten für das Unwort des Jahres hält. Im Jahr 2008 war bereits „Notleidende Banken“ unter den Unwörtern zu finden. Und hier zeigt sich auch der Grundgedanke, der dahinter steckt. Es wird in guter Kaufmannsmanier keine Gelegenheit ausgelassen, sich über schwierige Bedingungen auf dem Markt auszulassen. Gewürzt mit ein paar sensationellen Meldungen über große Fehlschläge und der Aktivismus kann beginnen. Es werden die guten Grundsätze einer Marktwirtschaft über Bord geworfen, um Unternehmen direkt (beispielsweise Commerzbank oder viel früher schon Holtzmann) mit Geldern auszustatten, die ihnen sonst vielleicht keiner gegeben hätte. Vielleicht, weil das Risiko es darauf ankommen zu lassen nicht mehr eingegangen werden muss, wenn man das offizielle OK von staatlicher Seite bekommt.

Finanzierungsgarantie für Unternehmen

So unlängst geschehen, als die BaFin 36 Institute in Deutschland als systemrelevant eingestuft hat. „Lebensversicherung“ wurde diese Einstufung schon flapsig genannt. Stellen sie sich vor, sie würden als „systemrelevant“ bezeichnet. Was würden sie davon ableiten? Wahrscheinlich würden sie sich weniger Sorgen machen erfolgreich zu sein in dem, was sie tun, denn schließlich springt ihnen ja die öffentliche Hand zur Seite, wenn sie scheitern. Das ist nichts anderes als eine Variante von Staatsunternehmen oder wen man ganz böse sein möchte das totale Gegenteil von Marktwirtschaft – nämlich Wirtschaft ohne den Markt. Es mag zwar etwas polemisch anmuten, aber wenn der Staat Markt spielt kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Als Beispiel sei der Flughafen in Berlin genannt, der mittlerweile fast dreimal so viel kosten wird, wie der Burj Khalifa, der etwa 1,5 Mrd. Euro gekostet haben soll. Nicht mehr viel und Berlin-Brandenburg kann sich einen Flugzeugträger an die Spree stellen. Dann hätte man sogar einen mobilen Flugplatz. Der kostet in der großen Version der Amerikaner etwa 6 Mrd. Euro pro Stück. Das wäre auf jeden Fall ein Novum, denn in Europa hat noch keine Stadt eine solche Attraktion. Aber genug der Satire.

Trennung von Unternehmensentscheidungen und Politik wünschenswert

Von den Märkten war in 2012 immer wieder zu vernehmen, dass die Finanzierungsprobleme Griechenlands den Euroraum vor eine Bewährungsprobe stellen. Das mag stimmen, doch ist das eine politische Krise – keine, die die Unternehmen trifft. Milliardengewinne, wo man schaut und über 27 Prozent Steigerung im DAX sprechen der Wahrnehmung einer Krise Hohn. Wenn schon von einer Krise gesprochen werden muss, dann doch bitte über die zu erwartende Zukunft. Die fetten Jahre nach 2008 auf Unternehmensebene könnten in 2013 zu Ende sein. Absätze gehen zurück, Personal wird in Teilzeit geschickt oder entlassen, neuerdings auch über Kurzarbeit mit weicheren Folgen abgemildert. Dabei muss festgehalten werden, dass Maßnahmen wie Kurzarbeit nur die Folgen für die Unternehmensgewinne abzumildern scheinen. Wenn man unter den Betroffenen fragt, findet sich selten einer, der sagt, dass er dadurch sicherer in seinem Job ist und weniger Angst hat ihn zu verlieren.

Die Nichtkrise

Aber kehren wir zum eigentlichen Thema zurück. Es geht um die Krise die keine ist. Mit der Bestandsgarantie der BaFin wird dieses Jahr ein Zustand in Beton gegossen, der für die Günstlinge der Regelung ein Segen, für Deutschland als Gesellschaft ein Fluch sein könnte. Hier werden Garantien auf gesamtgesellschaftliche Haftung gegeben, die aber nicht der üblichen Kontrolle des Staates unterliegen. Wenn im Normalfall der Staat besondere Rechte einräumt, dann verlangt er einen Amtseid, der auch eine Befehlsgewalt begründet. Wer in Deutschland mit der Durchsetzung unserer Rechte beauftragt wird, unterliegt auch besonderen Auflagen. Wie sieht es bei den „garantierten Unternehmen“ aus? Das ist auch ein Kandidat für ein Unwort des Jahres. Vielleicht sollte sich die Finanzwelt ein eigenes Unwort des Jahres anlegen. Es ist zu bezweifeln, dass sich diese Unternehmen vorschreiben lassen, was sie wo machen. Bei gewinnmaximierenden Unternehmen verkommt die Bestandgarantie im schlimmsten Fall zu einer Einnahmequelle. Anstelle mit Mitbewerben auf den Kapitalmärkten um Finanzierungen konkurrieren zu müssen, können die Mittel demnächst möglicherweise mit einem formlosen Schreiben bei der BaFin beantragt werden.

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Wir sehen die Euro-Krise nicht als das, was es im Jahr 2012 in der Medienwelt war. Sie ist kein Grund die Unternehmenswelt zu alimentieren. Vielmehr sollten die Themen sauber getrennt voneinander behandelt werden. Finanzierungsprobleme von Unternehmen sollten auf Unternehmensebene abgewickelt werden und Finanzierungssorgen von Staaten auch zwischen den Staaten der Eurozone oder der Europäischen Union. Versagt ein Unternehmen, muss auch zugelassen werden, dass es verkauft, aufgesplittet und damit teilweise insolvent geht oder vollständig in den Bankrott geht.

Warum systemrelevant nicht unbestritten bleiben sollte

Sicherlich haben einige Unternehmen größere Auswirkungen als andere auf den Gesamtmarkt, wenn sie fallen, doch ob sie wirklich derart bedrohliche, ja gesellschaftsgefährdende Effekte nach sich ziehen, wie man glauben mag, wenn man tagein tagaus die Nachrichten verfolgt, darf ernsthaft bezweifelt werden. Uns fehlen schlichtweg die großen Beispiele. Bei allem nötigen Respekt und Beileid für die unschuldig Betroffenen bei Schlecker – hier ging es um 10.000, in Worten Zehntausend, Arbeitsplätze und es wurden keine Extrageschäfte von staatlicher Seite initiiert um Dominoeffekte zu verhindern. Der gesamtdeutschen Wirtschaftslage hat das bis jetzt keine Delle verpasst, aus der sie sich so schnell nicht wird erholen können.

Der Blick in die Glaskugel

Was auch immer das neue Jahr bringen wird, seien es Milliardenverluste bei Unternehmen, Übernahmen und Massenentlassungen oder einfach nur schlechte Zeiten, wie die Wirtschaftskrisen früher genannt wurden, sicher ist, dass die öffentliche Wahrnehmung wieder auf ganz hohem Niveau durch interessengeleitete Maßnahmen von der richtigen Wahrnehmung abgelenkt werden wird. Ein jeder muss weiterhin stets selber zu einer Bewertung kommen, wenn er nicht den Parolen anderer erliegen will.

Freundliche Grüße
und viel Erfolg im neuen Börsenjahr 2013
Sebastian Jonkisch

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