(Prime Quants) – So, jetzt wissen wir es ganz genau und vor allem hochoffiziell, der Minister persönlich hat in dieser Woche zu uns gesprochen. Also zum Volk, gewissermaßen, denn der oberste deutsche Konjunkturbeauftragte, unser aller Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, legte am Dienstag seinen Wohlstandsbauch in dem Anlass angemessene Sorgenfalten und verkündete die bittere Wahrheit: Jawohl, die Wachstumsprognose der Bundesregierung muss ebenfalls nach unten korrigiert werden, und zwar subito! Er erwarte nunmehr eine schwächere Konjunktur als zu Jahresbeginn noch prognostiziert, wobei die Ursachen zumindest seiner Ansicht nach vor allem in den geopolitischen Krisen zu suchen seien, soll heißen: die anderen sind schuld! Damit folgte Gabriel letztlich zwar nur den Aussagen und Einschätzungen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die bereits in den vergangenen Wochen einen Niedergang der deutschen Konjunktur konstatierten. Allerdings ist somit jetzt auch amtlich, was ohnehin bereits mehr als offensichtlich war – die deutsche Wirtschaft hat, aus welchem Grund nun auch immer, ein Problem. Und das scheint größer, als bislang angenommen, zumindest wenn man die jüngste Entwicklung der Märkte als Gradmesser heranzieht. Denn an den Börsen herrschte dieser Tage geradezu Panik, und die ist nicht gänzlich unbegründet:

Flashback

Schließlich befindet sich der DAX seit Anfang Oktober quasi im freien Fall. Sieben wahrlich tiefroten Verlusttagen stehen nur fünf magere Gewinner gegenüber, sodass die Kursverluste unter dem Strich und bis zum gestrigen Tief rund 10 Prozent betrugen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn tatsächlich und strenggenommen begann der Absturz des deutschen Leitindex bereits am 19. September. Das damalige Tageshoch von 9.891 Zählern markiert dabei den Wendepunkt, von dort aus kannten die Notierungen nur noch einen Weg – abwärts. Rein rechnerisch beläuft sich das Minus im DAX somit bereits auf gut 15 Prozent, den heutigen Erholungstag noch nicht berücksichtigt. Rund 1500 Punkte hat der DAX so in knapp einem Monat abgegeben und notierte zwischenzeitlich mit rund 8.400 Zählern auf exakt dem Niveau, das im August 2013 die Basis für die anschließende Rallyebewegung bildete. Das heißt im Klartext – die gesamten Kursgewinne der vergangenen 14 Monate wurden komplett ausradiert. Natürlich kann man dies nun mit dem klangvollen Begriff „Marktbereinigung“ ausgiebig „schön“ reden. Muss man aber nicht. Denn letztlich beobachten wir im Augenblick zunächst und vor allem eine veritable Übertreibung. Die sich allerdings gewaschen hat, keine Frage. Und deshalb auch kein Wunder, dass in den Medien jetzt erste Parallelen zum Weltwirtschaftskrisenherbst 2008 gezogen werden. Im Chartbild zeigt sich beim direkten Vergleich der beiden Jahre jedoch eine kleine Überraschung:

Crashtag

Die Lehman-Pleite 2008 und deren Folgen haben sich im kollektiven Anleger-Gedächtnis zwar als DAS Horror-Crash-Szenario schlechthin eingebrannt, aber – sooo schlimm war das damals gar nicht, zumindest dann nicht, wenn man vergleichend auf den aktuellen Kursverlauf blickt. Anders nämlich als im Herbst 2008 geht es diesmal über einen deutlich längeren Zeitraum nach unten. Warum? Ganz einfach – weil es heute keinen manifesten Auslöser, keinen erkennbaren Grund für den derzeitigen Absturz gibt. Damals war Lehman, heute ist…ja was denn nun eigentlich? Platzt hier gerade die von den Notenbanken aufgepumpte Billiggeld-Blase, haben wir es mit einer reinen, irrationalen Übertreibung zu tun oder fehlt aktuell vielleicht – nach den zweistelligen Gewinnjahren 2012 und 2013 – schlicht und ergreifend der Anreiz (vor allem für ausländische Investoren), an den deutschen bzw. europäischen Märkten zu spekulieren? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit auch hier, wie so oft, in der Mitte. Nicht ganz zufällig steht deshalb die Übertreibung auch in der Mitte dieses Textes. Denn Konjunkturschwäche hin und Marktbereinigung her – die Korrektur der vergangenen Wochen war vor allem eines – völlig überzogen!

Erfolgreiche Trades wünscht

Ihr
Sebastian Jonkisch

{loadposition mainbody_author_sj}
{loadposition inbeitrag_mm_bestellseite}