(Prime Quants) – Ernüchterung ist nach der Kurs-Rally der vergangenen Woche am deutschen Aktienmarkt eingekehrt. Konnte sich der DAX seit Mitte April in der Spitze um 1140 Punkte nach oben arbeiten, so hat der deutsche Leitindex davon mittlerweile rund die Hälfte eingebüßt. Aus charttechnischer Sicht sind die langfristigen Aufwärtstrends zwar weiter intakt, dennoch drängt sich die Frage auf, ob größere Gefahren hinter der laufenden Korrektur stecken. Wird möglicherweise jetzt die nächste Abwärtsspirale losgetreten? Oder heißt es kühlen Kopf bewahren und die niedrigen Kurse nach dem Motto „buy on dips“ zum Einstieg auf der Long-Seite zu nutzen? Argumente lassen sich für beide Seiten finden.
Pro Rallye: Das Hauptargument für die Optimisten beschrieb EZB-Chef Mario Draghi gestern mit der englischen Bezeichnung „forward guidance“ – was eine Art in die Zukunft gerichteten Führungsstil beschreiben soll. Die Hoffnungen der Bullen beruhen darauf, dass sich die Maßnahmen der Notenbanken auszahlen. Sie setzen also darauf, dass es den Währungshütern tatsächlich gelingt eine größere Konjunkturbelebung anzustoßen. Da davon allerdings noch nicht viel zu sehen ist, versprach Draghi am Donnerstag, dass die Geldpolitik so lange wie nötig locker bleiben wird. „Opium für´s Volk“, das gilt auch für die weiteren Maßnahmen, die im EZB-Rat heiß diskutiert werden. So planen die Notenbanker durch einen negativen Einlagezins die Banken quasi zur Kreditvergabe zu zwingen. Wie der Chef der Europäischen Zentralbank allerdings Aktivitäten am verbrieften Markt für Unternehmenskredite (ABS-Papiere) rechtfertigen will, scheint noch nicht klar. Laut Draghi sei die ABS-Thematik kompliziert und nicht kurzfristig umsetzbar. Alles in allem scheinen die Währungshüter aber entschlossen an ihrem Weg der lockeren Geldpolitik festzuhalten, was viele weiterhin als klares Kaufargument für Aktien sehen.
Kontra Rallye: Doch die Skeptiker mehren sich. Sie führen ins Feld, dass das billige Geld klein- und mittelständische Unternehmen nicht erreicht. Das ist richtig, trifft aber nur selten auf die gelisteten Aktiengesellschaften an der Börse zu. Finanzierungstechnisch eröffnen sich für diese nahezu paradiesische Zeiten, wie auch der Blick auf die Renditen der Unternehmensanleihen zeigen, die teilweise um die Zwei-Prozent-Marke dümpeln. Aber auch hier – am Anleihemarkt – sehen Skeptiker Gefahren. Denn trotz der massiven Liquiditätsflut der Notenbanken sind die Renditen auf zehnjährige japanische und US-amerikanische Staatspapiere in den vergangenen Wochen gestiegen. Manch ein Bär interpretiert diese Entwicklung als klaren Vertrauensverlust in die Finanzpolitik der Staaten. Ihr Argument: Eine gewaltige Schieflage an den Anleihemärkten könnte auch den Aktienmarkt nach unten reißen. Zudem glauben nur wenige, dass das hohe Kursniveau durch solide Unternehmenszahlen untermauert werden kann. Die jüngsten Unternehmensgewinne in den USA beruhen auch auf Restrukturierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren. US-Notenbankchef Ben Bernanke hatte als Zielmarke für seine lockere Geldpolitik eine Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent ins Visier genommen. Im Mai ist die Arbeitslosenquote in den USA jedoch überraschend um 0,1 Prozent auf 7,6 Prozent gestiegen, obwohl mit 175.000 Stellen mehr neue Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft als erwartet geschaffen werden konnten.
In der ersten Reaktion feierten die Börsen das Ergebnis, was fundamentale Kursprognosen derzeit nicht gerade erleichtert. Das Phänomen: Schwache Daten führen an den Börsen im Augenblick zu steigenden Kursen, da sie Hoffnung erzeugen, dass die Notenbanken keine Drosselung der lockeren Geldpolitik vornehmen. Die hohe Liquidität bleibt also weiter Kurstreiber Nr. 1. Ob man sich als Trader wirklich gegen diese Flut stellen will, bleibt fraglich. Im Market Mover werden wir unseren Dow-Jones-Put heute jedenfalls sicherheitshalber mit einem Stop-Loss auf dem Einstiegsniveau absichern und so das Risiko aus der Position nehmen.
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler